^ Exkursion im Stadtwald: „Die Fichte ist ein Auslaufmodell“ - Schopfheim - Verlagshaus Jaumann

Exkursion im Stadtwald „Die Fichte ist ein Auslaufmodell“

Werner Müller
Gemeinde- und Ortschaftsräte sowie interessierte Bürger machten sich unter Ägide von Forstexperten um Andreas Sippel von der Forstdirektion Freiburg (roter Anorak) vor Ort ein Bild vom Zustand des Schopfheimer Stadtwalds. Foto: Werner Müller

Bei einer Exkursion im Stadtwald wird deutlich: Der Klimawandel macht einen Umbau des Baumbestands nötig.

Im Wald, da sind angeblich ja die Räuber. Aber auch populäre Volkslieder können sich irren, wie sich jüngst im Stadtwald zeigte. Da waren es mitnichten finstere Gesellen, die sich herumtrieben und sich den Hals verrenkten – ganz im Gegenteil. Die bunte Schar setzte sich aus zahlreichen Förstern und Waldarbeitern sowie Bürgermeister Dirk Harscher, Vertretern der Stadtverwaltung, Stadträten und Ortsvorstehern zusammen. Ausstaffiert mit festem Schuhwerk und vorab bestens informiert durch die Fachleute von der Forstverwaltung, machten sie sich mit eigenen Augen ein Bild vom Zustand des Stadtwalds.

„Umbau“ ist nötig

Das macht durchaus Sinn. Denn in der kommenden Sitzung befasst sich der Gemeinderat mit dem so genannten Forsteinrichtungswerk für die Jahre 2024 bis 2033. Darin legt die Stadt gemeinsam mit der Forstverwaltung fest, was in den nächsten zehn Jahren im Stadtwald passieren soll – in Bezug auf Holzernte, Aufforstung, Pflege und – vor allem – den notwendigen Umbau im Angesicht des Klimawandels.

Denn auch der Schopfheimer Stadtwald hat nach Angaben der Forstverwaltung „massive Probleme“ mit den Auswirkungen des globalen Klimawandels (Trockenheit, Hitze, Borkenkäfer), wie die Fachleute von der Forstverwaltung betonen. Daraus ergebe sich unter anderem ein Kurswechsel bei der Auswahl der zu pflanzenden Baumarten.

Die Grafik zeigt den prozentualen Anteil einzelner Baumarten jeweils über die vergangenen drei Jahrzehnte (einzelne Balken) hinweg. Klar wird: Der Buchenanteil (grün) bleibt stabil, die Fichte (grau) hingegen hat massive Rückgänge zu verzeichnen. Sonstige Nadel- und Laubhölzer (sNb/sLb) legen zu. Foto: zVg/Forstdirektion

Inventur für den Stadtwald

Doch woher wissen die Förster, wie genau es um den städtischen Wald steht, wie viele Tannen, Fichten, Buchen und Eichen auf seiner insgesamt 1500 Hektar großen Fläche – das ist fast ein Viertel der Schopfheimer Gemarkung –wachsen und in welchem Zustand diese sind? Für die Datenerhebung bedarf es einer regelrechten Inventur. Wie genau diese funktioniert, erfuhren die Teilnehmer der Exkursion zunächst in einer kurzen theoretischen Einführung im Rathaussaal, ehe es mit dem Bus auf den Dinkelberg ging, wo die Forstleute an insgesamt vier Stationen den jeweiligen Waldzustand anschaulich erläuterten.

Stichproben liefern Daten

Die exakte Datenerhebung erfolgte nach Angaben von Andreas Sippel von der Forstdirektion Freiburg vor etwa einem Jahr. Dazu legten die Förster verteilt über den gesamten Stadtwald 733 Stichprobenkreise an, in denen sie jeweils alle Bäume samt deren Alter, Höhe, Durchmesser und eventuellen Schäden (Käfer, Wildverbiss) exakt erfassten und daraus die Zahlen für den gesamten Stadtwald errechneten – mit einer Genauigkeit von plus-minus 2,5 Prozent.

„Hauptbaumart“ Buche

Eine wichtige Erkenntnis der jüngsten Inventur: Bei den Baumarten verschieben sich die Kräfteverhältnisse jetzt schon unübersehbar. So sank laut Sippel der Anteil der Fichten binnen 30 Jahren von einst 30 auf nunmehr 18 Prozent. Mit großem Vorsprung an der Spitze liegt jetzt statt dessen die Buche – mit 30 Prozent ist sie laut Sippel unangefochten die „Hauptbaumart“. Aber auch die Zahl anderer Laubhölzer (Esche, Ahorn, Kirsche, Nuss, Birken, Weiden) nimmt deutlich zu, und zwar von zehn auf 20 Prozent. Weitgehend stabil zeigen sich die Tanne, die – vor allem dank ihrer Vormachtstellung in der Gersbacher Höhe – 18 Prozent des Stadtwalds ausmacht, und die Eiche mit fünf Prozent.

Musterwald an Dinkelberg

Ein Musterexemplar von einem Buchenwald war denn auch ein Ziel der Waldexkursion auf den Dinkelberg. Die Förster gerieten bei der Vorstellung der rund 140 Jahren alten und „sehr vitalen Buchen“, die da unweit des Modellflugplatzes ihre grünen Laubdächer gen Himmel strecken, ins Schwärmen. Dies sei ein Wald, fast wie die Natur ihn schafft, ein „nahezu selbst erhaltendes System“ mit eigenem Nachwuchs, typisch für den Dinkelberg. „Buchenwälder sind ein reiner Selbstläufer und keine Kunstgebilde wie die Nadelwälder“, erklärte Andreas Sippel. Sie seien vom Ertrag her zwar nicht so lukrativ wie beispielsweise die schnell wachsenden Fichten, dafür aber viel klimastabiler – wenngleich auch ihnen die zuletzt sehr trockenen Sommer arg zusetzten.

Kunstforst ohne Zukunft

Das krasse Gegenbeispiel bot sich den Waldausflüglern denn auch nur wenige Meter weit entfernt an einer anderen Station, wo etwa 100 Jahre alte Fichten stehen. Diese Baumart habe von Natur aus auf dem Dinkelberg eigentlich nichts verloren, so die Förster. Andreas Sippel sprach sogar von „Kunstforst“ und fügte hinzu, früher habe man solche Bestände mitunter auch als „Holzacker“ bezeichnet, weil sie rein der Gewinnerzielung dienten.

Ziel: Gesunde Mischwälder

Doch diese Zeiten sind vorbei. Denn vor allem die Fichten sind Leidtragende des Klimawandels. So berichtete der Schopfheimer Revierförster Stefan Niefenthaler, das von den 500 Festmetern Fichten, die im vergangenen Zehnjahresplan gefällt wurden, 400 Festmeter dem Sturm und dem Borkenkäfer zum Opfer fielen – und deshalb auf dem Holzmarkt deutlich weniger Geld einbrachten als früher. „Die Fichte ist auf dem Dinkelberg ein Auslaufmodell“, betonte denn auch Michael Schirmer vom Forstbezirk Lörrach. Für die Neubepflanzung kommen in den Augen der Fachleute neben Laubhölzern aber auch andere Nadelbäume in Frage, zum Beispiel die klimastabile Douglasie sowie Lärchen und auch Tannen. Ziel sei, auch auf dem Dinkelberg einen möglichst hohen Nadelbaumanteil zu schaffen, „aber nicht mit Gewalt“, ergänzte Revierförster Niefenthaler.

Und wie lässt sich der Borkenkäfer am besten bekämpfen? Dieses Problem sei am besten zu lösen durch „gesunde Mischwälder“, erklärte Sippel. Da finde der Käfer die Fichten nicht so einfach.

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